Urbane Permakultur. Hügelkultur ein natürliches Kreislaufsystem mit vielen Funktionen

Wie lässt sich eine Brachfläche um einen Stadtbaum zu einem urbanen Permakulturort gestalten? Ein Beispiel aus Hannover

Städtische Hügelkultur. Ein natürliches Kreislaufsystem mit vielen Funktionen

In diesem Artikel zeigen wir Euch am Beispiel Hannover, wie ihr eine kleine Brachfläche (Baumscheibe) um einen Stadtbaum in ein urbanes Hügelbeet umwandeln könnt. Eine Methode, die für weniger als 30 EUR verschiedenste Funktionen erfüllt und den städtischen Überfluss nutzt. Durch die Schaffung eines Kreislaufsystems werden wir aufzeigen wie einfach es ist, Abfall in wertvolle Ressourcen wie Boden, Gartenbeete, Gemüse und biologische Vielfalt zu verwandeln.

Baumscheibe urbane Permakultur Hannover

Was macht die Permakultur in der Stadt?

Bevor wir zum zentralen Thema kommen, geben wir zunächst eine kurze Übersicht, warum die Permakultur-Bewegung den Menschen in die Stadt gefolgt ist und warum sie sich auch im urbanen Kontext entfaltet hat.

Laut den von der UNO herausgegebenen „World Urbanisation Prospects“ lebten 2014 54% der Weltbevölkerung in Städten. 2050 sollen bereits 66% der Bevölkerung in urbanen Gegenden leben. Das derzeitige Design von Städten auf der ganzen Welt stellt jedoch die Frage, ob wir als Menschen in einer urbanisierten Welt überhaupt Nachhaltigkeit leben können.

Die Menschen ziehen aus jede Menge Gründen in die Städte. Dort gibt es Arbeit, es ist bequem, es bietet Unterhaltung; und für eine ganze Reihe von Menschen erscheint die Stadt als die letzte Chance überleben zu können und ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die Gründe fürs Stadtleben sind genauso vielfältig wie die Menschen die in einer Stadt zusammen treffen. Mit all diesen Hintergründen im Blick, kann das Leben in einer Stadt nachhaltig gestaltet werden?

Kann Permakultur helfen die Städte zu wandeln?


Eines ist klar: unsere heutigen Städte sind nicht für einen nachhaltigen Lebensstil konzipiert. Sie sind eigentlich überhaupt nicht gestaltet. In den meisten Fällen können wir Städte mit lebenden Organismen vergleichen, die im Laufe der Zeit nachfragebedingt gewachsen sind und sich entwickelt haben.

Dadurch sind unsere Städte in hohem Maße von der Versorgung mit allen lebensnotwendigen Gütern abhängig von äußeren Einflüssen wie Wasser, Nahrung, Energie, Luft, etc. Als Endprodukt produzieren Städte dagegen eine große Menge an Müll, haben aber keine Möglichkeit mit dem eigenen Abfall umzugehen oder ihn wieder in brauchbare Ressourcen umzuwandeln.

Städte sind ein klassisches Beispiel für offene Kreislaufsysteme, die nicht nach der Weisheit der Natur funktionieren. Städte haben einen enorm niedrigen Selbstversorgungsgrad; eigentlich sind Städte Importmonster. Große Mengen an Nahrungsmitteln und Ressourcen müssen in die Megastädte transportiert werden, und im Gegenzug muss der produzierte Abfall und die Verschmutzung beseitigt werden. Aufgrund ihrer Dichte und der Massenimporte sind Städte nicht resistent oder gar für Notfallsituationen ausgelegt.


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Probleme als Lösungen verstehen - Permakultur als Instrument des Wandels

Aber lasst uns nicht am Problem aufhängen, sondern die Lösung fest im Blick haben. Das Konzept des städtischen Lebens muss mit ganzheitlichen Designsystemen wie dem Permakultur-Design umgestaltet werden. Und jeder kann dazu beitragen! Alles, was in diesem Zusammenhang erforderlich ist, ist ein Umdenken in den Städten, in den Warenströmen und in der Schaffung Abfall- und umweltfreundlicher Produktionslinien und Produkte.

Um das gesamte städtische System mit dem klassischen Top-Down-Ansatz der Kommunalpolitik neu zu gestalten, sind kleine Interventionen an der Basis eine wichtige Grundlage für eine Bürgerbewegung, die tatsächlich nach Veränderung strebt und bereit ist, die Initiative zu ergreifen.

blühender Beton, Küchengärten in Hannover

blühender Beton, Küchengärten in Hannover

urbanes Gärtnern ein politischer Akt

urbanes Gärtnern ein politischer Akt

Urbanes Gärtnern als politischer Akt “Everything is gardening”

Jedes kleine Gartenbeet, jedes bürgerschaftliche Engagement oder jeder Gemeinschaftsgarten im öffentlichen Raum ist eine deutliche Botschaft und zeigt den Entscheidungsträgern, dass die Bürger_innen ihre Städte zum Positiven gestalten und verändern können.

Das städtische Hügelbeet stellt somit nur eine Art der räumlichen Intervention dar. Es ist eine kleine und einfache Lösung die aufzeigt, was auf freien verfügbaren Räumen konkret möglich ist. Um einem der 12 Permakultur-Prinzipien von David Holmgren zu folgen, „Nutze Randbereiche und schätze das Marginale.“ Wir streben hierbei nicht nach Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln, sondern schaffen lediglich ein Schaufenster für die Nahrungsmittelproduktion in einem urbanen Kontext.

Urbanes Gartenprojekt Baulücke in Hannover.

Urbanes Gartenprojekt Baulücke in Hannover.

Gemeinschaftskompost ein guter Ansatz zur Schaffung natürlicher Kreislaufsysteme.

Gemeinschaftskompost ein guter Ansatz zur Schaffung natürlicher Kreislaufsysteme.

Wie kann man das Hügelbeet in die Städte bringen?

Urbane Gebiete sind dicht besiedelt. Soll etwas Neues entstehen müssen einige Regeln und Normen beachtet werden, um sich im kollektiv akzeptierten Rahmen zu bewegen. Das ist sehr wichtig, vor allem, wenn wir mehr Menschen Möglichkeiten aufzeigen wollen anders zu handeln bzw. die Stadt mit anderen Augen wahrzunehmen. Dafür dürfen wir sie nicht verschrecken! Das bedeutet, dass die Befolgung der regulären Hügelkulturstruktur vielleicht ein bisschen zu viel Irritation erzeugt und einfach nicht in den „sauberen“ Kontext der Stadt passt. Das ist der Grund, warum wir eine Hochbeetstruktur verwendet haben und die klassiche Hügelkultur integriert haben. Wir gehen im Folgenden Schritt für Schritt durch den Prozess um Euch zeigen, wie wir zu dem Endergebnis gekommen sind, welche Ressourcen wir benötigt haben und wie das Ganze für unter 30 EUR möglich ist.

Brachfläche ohne Nutzung

Brachfläche ohne Nutzung

Struktur für Hügelkultur

Struktur für Hügelkultur

Holzstämme als erste Schicht

Holzstämme als erste Schicht

5 Schritte zur städtischen Hugelkultur

  1. Erlaubnis einholen


    Dies ist von Stadt zu Stadt unterschiedlich, aber die urbane Gartenbewegung ist gut verbreitet und Kommunen denken langsam um und finden konstruktive Lösungen und Möglichkeiten für engagierte Bürger_innen. In Hannover, dem Ort, an dem diese urbane Permakultur-Intervention umgesetzt wurde, ist es sehr einfach. Seit 1983 gibt die Stadt Hannover ihren Bürgern die Erlaubnis, Bäume und die Brachflächen um den Baum herum zu pflegen. Innerhalb eines halben Tages hatte ich die Erlaubnis und wurde durch eine sehr unterstützende Person durch den Prozess begleitet. Auch in Hannover muss man sich an einige Regeln und Vorschriften halten. Ein Radius von 10 cm um den Baumstamm herum darf nicht bepflanzt werden. Es dürfen keine Sträucher gepflanzt werden, da einige Sorten in Nährstoff- und Wurzelkonkurrenz zum Baum stehen könnten.

  2. Besorg Dir ein Transportmittel ohne Verbrennungsmotor


    Die Veränderung der Städte beginnt bei uns selbst. Daher ist die Verwendung eines Lastenfahrrads eine gute Möglichkeit die Nutzung eines mit fossilen Treibstoffen betriebenen Fahrzeuges zu umgehen und das benötigte Material CO2 neutral zu besorgen. Das ist ein erster wichtiger Schritt hin zu einer nachhaltigen Stadt, der aber auch euren Bewegungsradius reduziert und somit hilft kreativer darüber nachzudenken, was ihr nutzen könnt und wie ihr eine wirklich lokales Hügelbeet schafft. In einigen Städten kannst du einfach ein Lastenfahrrad ausleihen oder es kostenlos ausprobieren. In Hannover bietet der örtliche ADFC für einige Tage Lastenfahrräder zum kostenlosen Ausprobieren an. Ein großartiger Service, den wir gerne in Anspruch genommen haben.

  3. Besorgt euch die Ressourcen für die Struktur des Beetes

    Wir wollten städtische Abfälle in eine Ressource umwandeln, deshalb haben wir mit alten Paletten und nicht mehr benötigtem Bauholzmaterial gearbeitet. Für diese konkrete Struktur haben wir zwei Euro-Paletten verwendet, die zweimal zerschnitten wurden. Die Reste haben wir verwendet, um die beiden Bestandteile zu einem Ganzen zusammenzufügen und der Struktur eine gewisse Stabilität zu verleihen. Nachdem die beiden Palettenteile fertig waren, setzten wir Holzbretter und altes Holz ein, um die beiden kürzeren Seiten zu verbinden. Um die Paletten vor Regen und Feuchtigkeit zu schützen, befestigten wir zwei neue Bretter oben auf der Struktur. Die einzigen Dinge, die wir für die Struktur gekauft haben waren Schrauben und Winkel und die beiden Deckbretter für etwa 10 EUR. Die Struktur wird natürlich nicht ewig halten, aber auf Basis der eingesetzten Zeit und Ressourcen ist das für uns in Ordnung und die Winkel können wir im besten Fall wiederverwenden, wenn wir in drei bis vier Jahren die Struktur entsprechend erneuern müssen.

  4. Besorgt euch eure Ressourcen für die Füllung

    In einem urbanen Gebiet können große Äste, Stämme und anderes holziges Material eine knappe Ressource sein. In unserem Fall hatten wir jedoch Glück und ein Nachbar hatte etwas Gehölz, das wir verwenden konnten. Bitte fragt in jedem Fall den Besitzer, bevor ihr Material mitnehmt! Wir haben allerdings die Erfahrung gemacht, dass Gartenbesitzer und Kleingärtner sich oftmals darüber freuen, wenn sie sich den Weg zum Wertstoffhof sparen können. Das Gehölz kommt als erstes ins Bett. Danach haben wir begonnen, die Hochbeetstruktur mit „braunem Material“ (hoher Kohlenstoffanteil) zu füllen wie z.B. unbedruckte Pappkartons, Blätter und kleinere Zweige. Nach drei Schichten braun kommt eine Schicht an „grünem Material“ (hoch an Stickstoff) wie Küchenabfälle und Rasenschnitt. Wir konnten auch auf etwas alten Pferdemist (grünes Material) zurückgreifen, den wir immer wieder zwischen den Schichten verstreut haben. Die letzten Schichten bestehen aus feinem Kompost, bevor wir das Beet mit Holzspänen bedeckt haben um es vor Sonne, Wind und Regen zu schützen. Fertig! 

Für die Füllung haben wir nur Abfall oder unbenutztes Material verwendet und mussten nichts dazu kaufen.

  5. Besorgt euch erste Pflanzen

    Um eine attraktive Atmosphäre für die ersten Tage zu schaffen, ist es wichtig, einige schöne blühende Pflanzen zu pflanzen. Das gibt den Bewohnern das gute Gefühl, dass sich jemand um die Beete kümmert und die Neuerung gut betreut ist. Das haben wir getan und das war auch der teuerste Bestandteil des gesamten Unterfangens, da wir in diesem Fall keinen Zugang zu kostenlosen Pflanzen hatten. Um die Kosten zu vermeiden, fragt eure Nachbarn, sucht nach anderen kostenlosen Quellen oder fangt einfach frühzeitig mit den Samen an.


Küchenabfälle verfügen über viel Stickstoff

Küchenabfälle verfügen über viel Stickstoff

Feiner Kompost bereitet die oberfläche fürs pflanzen vor.

Feiner Kompost bereitet die oberfläche fürs pflanzen vor.

Abgedeckt und bepflanzt erfüllt es urbane Ansprüche.

Abgedeckt und bepflanzt erfüllt es urbane Ansprüche.

Ein Element mit vielen Funktionen

Wir haben weit mehr als nur ein Hochbeet gebaut, wir haben einen Kompost, eine Bank, sowie Raum für das Gemeinschaftsengagement und Gespräche kreiert. Wir haben gesunde Erde für die Pflanzen und Raum für Pflanzengemeinschaften geschaffen, wir haben Wasserspeicher und mehr Sicherheit für das Wurzelsystem des Baumes hergestellt. Wir entwickelten ein praktisches Workshop-Element für zwei Gruppen und konnten dadurch Sensibilisierung und Permakultur-Bildung für urbanes Gärtnern durchführen. Wir haben auch Raum für den Anbau von Gemüse, Kräutern und Blumen geschaffen und außerdem den gedanklichen Stolperstein, dass Städte den Menschen und der Natur gehören und nicht nur den Autos. Innerhalb dieser drei Tage waren wir sehr viel mit der Nachbarschaft in Kontakt. Menschen, die zwar in der Nähe wohnen, die wir aber nie zuvor getroffen oder gesprochen haben, da sich unsere täglichen Abläufe bisher nicht kreuzten.

Recycling vs. Kaufen

Das gesamte von uns verwendete Material lässt sich leicht aus dem städtischen Überfluss gewinnen. Auf diese Weise beginnst Du tatsächlich damit, Deine Stadt zu transformieren und die Verantwortung für den städtischen Abfall zu übernehmen. Regelmäßig kannst du Küchenabfälle und Pappkartons, sowie kleine Äste auf das Hügelbeet aufbringen. Dadurch spart ihr viel Geld, das ihr sonst für Erde ausgeben müsstet, die häufig aus nicht nachhaltiger Torfkultur stammt.

Wenn du eine brachliegende Fläche um einen Stadtbaum (Baumscheibe) in eine städtische Permakultur verwandeln möchtest, fang einfach an!

Du kannst ein Hochbeet bauen, oder mit der oben beschriebenen Schichttechnik arbeiten oder einfach mit lebendem Mulch und Bodendeckern um den Baum herum starten. Alles hilft dabei, die Bodenbedingungen zu verbessern und den Baum zu stärken. Du hast endlose Möglichkeiten; und es ist wichtig, zu prüfen, was am besten zu deinem Baum und deiner Situation passt.

Jeder Baum, der von anderen Pflanzen umgeben ist, schafft einen großen Unterschied und macht den Baum widerstandsfähiger. Außerdem wird der Baum dadurch sichtbarer. Besonders im Winter sehen die Menschen manchmal nur den Stamm und verbinden ihn nicht mit einem lebenden Wesen. Die Bepflanzung auf Augenhöhe hilft den Menschen den Baum und die Natur im urbanen Kontext wahrzunehmen und zu schätzen. Wenn du Unterstützung brauchst, lass es uns einfach wissen, wir helfen dir gerne!

Laub und Äste sind reich an Kohlenstoff.

Laub und Äste sind reich an Kohlenstoff.

Blüten für das Auge und die Insekten

Blüten für das Auge und die Insekten

Wollt Ihr Wissen was wir sonst so machen?

Die neusten Termine findet ihr auch im Eventbereich auf der Website. Wenn Ihr ein Grundstück habt es nach den Permakulturdesignprinzipien gestalten wollt meldet Euch bei uns, wir unterstützen gerne. Wenn Ihr der Gastgeber eines Permakultur-Wochenende auf Eurem Grundstück sein wollt sprecht uns bitte für weitere Informationen an info@flowful.org.

Lars Blume